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  • Schild -kein Katzenfutter.Foto K.U.Zimmermann.
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    "Ruinen bauen", Projektbeitrag zur Ausstellung "Kunstforum Nord", Schwerin 1996

„Ruinen Bauen“, ein temporäres Kunstprojekt im öffentlichen Raum

Wederstraße, Berlin, 1994

Kunstforum Nord, Schwerin, 1996

 

„Ruinen bauen“ in der Neuköllner Wederstraße

Lange keiner da gewesen 

ln der Nähe des Übergangs von der Kari-Marx-Straße zur Buschkrugallee zweigt eine unscheinbare Stichstraße nach Westen ab. Nach der Hektik der Neuköllner Hauptverkehrsader herrscht in der Wederstraße eine fast dörfliche Ruhe. Die Fassaden der niedrigen Häuser sind alt und heruntergekommen. Wenige Häuser stehen vereinzelt, aber irgendetwas stört die triste Normalität. Die „Installation“ von Roland Eckelt bringt Bewegung in die Wederstraße.

Auf die gesamte Länge der Straße verteilt sind fenstergroße Teile Fassaden restauriert. Abgebröckelte Fassadenfragmente sind vereinzelt durch illusionistische Malerei ersetzt. Die gängigen Farben der Fassadenrenovierung, schinkelgelb, rosa, himmelblau und weiß, markieren Ornamente, Strukturen oder Muster der heruntergekommenen Häuser. „Ruinen bauen“, so bezeichnet der Künstler Roland Eckelt sein Projekt und den Prozeß des Verfalls der Wederstraße, der eigentlich mehr ein Zustand der Ignoranz ist. Die langwierige Planungsgeschichte hat das Prinzip umgekehrt, sie verursachte den kontinuierlichen Abbau der Architektur. Für die Verlängerung der Autobahn wurde ein Tunnel geplant, dem Teile der nördlichen Bebauung der Wederstraße weichen sollten. 18 Jahre lang konnte die Bürgerinitiative Stadtring-Süd (BISS) zwar die uralte Stadtringplanung im Südosten Berlins, nicht aber den Verfall der bedrohten Straße verhindern. Der Senat führt derzeit ein Planfeststellungsverfahren durch.

Die renovierten Stellen der Fassadenführen den gealterten Gebäuden ihre Vergänglichkeit vor wie das Portrait des Dorian Grey, das den Bovivant mit den Spuren seines Lebenswandels konfrontiert. Während Restauratoren bei ihrer Arbeit immer ein Stück des „ursprünglichen“ Zustands zurücklassen, um zu zeigen, wie es vor der Renovierung aussah, kehrt Eckelt dieses Prinzip um. Er renoviert nur ein kleines Stückchen, um zu zeigen, wie es werden könnte. Der Eingriff ist ein Spiel mit der Zeitwahrnehmung: „Ich zeige wie es war, aber nicht sein könnte“. Einige Anwohner, befragt nach ihrer Reaktion auf die „temporäre Installation“ in ihrer Straße fragen zurück: „Passiert hier jetzt was?“, „Oder wird abgerissen?“ Und: „Wann geht es los?“

Sie wissen es nicht und haben sich wie der Künstler, der vier Wochen an der Installation gearbeitet hat, vorübergehend in der Straße eingerichtet. Dieser vorübergehende Zustand hat bei einigen Anwohnern fasst ein Leben lang angedauert. Mietverträge wurden hier oft nur für die Dauer von einem Jahr vergeben, da immer der Abriss drohte. Mit seiner Aktion möchte Roland Eckelt das menschliche Prinzip, sich die eigene Umgebung durch Gestaltung anzueignen, betonen. „Was so ein bisschen Farbe ausmacht!“- so reagieren viele Anwohner nach anfänglichen Misstrauen.

Vor der Pressepräsentation der Kunstaktion fing ein Ladenbesitzer noch an, um das von Eckelt renovierte kleine Teilstück herum die heruntergekommene Wand weiß zu übertünchen: „Wenn jemand kommt, muss es doch schön sein“. Offenbar ist lange Zeit niemand in die Wederstraße gekommen.

Katharina Höpfner (Berliner Mieterzeitung 10/1994)