„Wege und Stationen“, Kunst Büro Berlin, 1991
Bücher ins Leere
Die hellblaue Einladung zu Roland Eckelts Ausstellung „Wege und Stationen“ lockt im nostalgieverdächtigen Design der fünfziger Jahre. Konträr dazu zeigt Eckelt seine Buchobjekt im Kunst Büro Berlin in momentan zeitgemäßer Kargheit und Reduktion. Flutendes Neonlicht leuchtet die Fabriketage gleichmäßig aus und erzeugt die banale Atmosphäre einer Schalterhalle. Gegenüber vom Eingang versperrt eine Wand aus Spanplatten die Sicht, hinter der sich eine Kabine verbirgt, in der unbeobachtet gelesen werden kann.
Elf Bücher aus Wellpappe sind mit drei Halterungen an der Wand befestigt. Statt beschrifteter Buchseiten ergeben je fünfzehn Papptafeln mit Firmensignets gebunden ein Buch. Eine inhaltlich motivierte Systematik ist der Anordnung nicht anzumerken, die Reihung der Bücher folgt statt dessen farblichen Regeln. Die Bücher entsprechen in Handhabung, Format und Anbringung exakt Telefonbüchern.
Roland Eckelts bisherige Wege und Stationen kreisen um das Buch, wobei er die Präsentationsform seiner Buchobjekte den Anforderungen des jeweiligen Raumes anpasst. Seine Bücher verlieren ihre Benutzbarkeit und werden in ein entfremdetes System übertragen, wo sie den Umgang mit dem Buch in der Öffentlichkeit thematisieren und eine zeitgemäße Definition von „Lesen“ anbieten. So verweisen sie darauf. dass die heutige „Bildung“ nicht mehr über geschriebene Texte, sondern – im wahrsten Sinne des Wortes – über die ständige Bilderflut der Werbung erfolgt.
Eckelt berührt hier die Frag nach dem Zusammenhang von Kunst und Werbung, indem er die wechselseitige Abhängigkeit beider Phänomene vor Augen führt. Das Konzept der Ausstellung ist überzeugend. Die Wirkung wird jedoch durch den kunstinternen Galeriekontext geschmälert. Konsequenter wäre die Präsentation des nur scheinbar FunktionaIen direkt vor Ort gewesen. In jeder TeIefonzelle sollte sich ein Eckelt-Branchenbuch unter die Telefonbücher mischen.
Annette Tietenberg (Der Tagesspiegel / Feuilleton 27.Februar 1991)